Wem gehört das Internet?

InternetWir – alle, die dies lesen – nutzen das Internet – die meisten wohl täglich. Es wird inzwischen Vieles im Web angeboten: Suchdienste, Nachschlagewerke, Kontaktaufnahmen, Software- und Mediendownloads, Tagesnachrichten, Behördendienste und, und, und.

Fast könnte man glauben, dass das Internet eine Möglichkeit ist, kostenlos Dienste in Anspruch zu nehmen um sich das Leben zu vereinfachen. Bei näherer Betrachtung, d.h., bei einer Betrachtung, die den Selbstbetrug ausschließt oder doch mindestens zu vermeiden versucht, sieht die Sache anders aus.

Was heißt denn kostenlos? Kostenlos, so fällt mir nach längerem Nachdenken ein, ist doch wohl nur noch die Luft zum Atmen, alles Andere hat seinen Preis. Die Frage bleibt: Wer zahlt?

Doch zunächst zum Titel: Wem gehört das Internet? Es kann kaum Zufall sein, dass auch hier gilt, dass außer der Atemluft so ziemlich alles jemandem gehört. Da gibt es einfache Beispiele wie z. B. Wälder, die in Privatbesitz oder im Besitz der öffentlichen Hand sind. Im letzten Fall ist der Besitzer formal der Bürger, leider oft mit dem Staat verwechselt.

Mit wenigen Mausklicks gelange ich auf eine Seite der Wikipedia. Dort kann ich lesen und die lesbare Information nutzen, mich über weitere Links durch das Netz führen lassen und weitere Informationen abrufen. Kostenlos? Nun, ich bekomme für diese Informationen keine Rechnung der Wikipedia, jedenfalls habe ich davon noch nicht gehört. Offensichtlich haben die Macher des großen Internet-Nachschlagewerkes andere Geldquellen gefunden. Mich braucht das in diesem Moment nicht weiter zu beschäftigen. Sollten die Damen und Herren der Wikipedia verhungern, werde ich das wohl irgendwie mitbekommen. Aber auch ich habe bei meiner Suche nach Informationen Kosten: Die Flatrate beim Provider, Strom, das Equipment, ohne welches ich die Suche nicht hätte durchführen können. Die Kosten sind also in mehreren Pauschalen versteckt.

Am Anfang, also etwa Mitte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts, gab es das Märchen, dass das neue Medium, also das Internet, eine fast anarchische Spielwiese des Informationszeitalters ist, worin Informationen und Dienste unbeschränkt verfügbar seien und immer und überall für jeden zugänglich. Alsbald wurde klar, dass dies mitnichten der Fall ist, da der Zugang zum WWW über einen Versorger zu laufen hat, zu Deutsch: Provider. Er schaffte sich gigantische Server an, die entweder selbst den Informationspool vorhalten oder sich mit dem Informationspool auf Server anderer Institutionen verknüpfen. So entstand das riesige Netz aus durch Datenleitungen verbundenen Servern. Sie laufen Tag und Nacht, überwiegend mit stabilen Betriebssystemen – die in der Regel nicht aus Redmond stammen.

Bis hier dürfte klar sein, dass das, was wir als Internet kennen (bis auf die Server an Universitäten*), eine private Veranstaltung ist. Wir zahlen Eintritt, wenn uns die Flatrate vom Konto abgebucht wird.

Weshalb sollte uns das interessieren?

Es gibt da einige „Kleinigkeiten“. Zunächst wird uns als Nutzer immer mehr bewusst, dass das Internet nicht nur in unser Leben gekommen ist, sondern dass unser Leben auch immer mehr ins Internet kommt. Was die größte Suchmaschine, Google, über uns weiß und speichert, bleibt den meisten Nutzern verborgen. Die Firma ist mit seinem gigantischen Speicher einer der größten „Anteilseigner“ am World Wide Web. Es ist eine private und eine ausländische Firma obendrein. Demokratische Kontrolle darüber, was diese Firma mit den über seine Nutzer gespeicherten Daten macht, ist mir nicht bekannt, schon gar nicht eine solche aus Deutschland.

Dasselbe gilt natürlich für die Anbieter anderer Dienste, nicht nur die mehr oder weniger spektakuläre Internet-Betrüger, sondern auch die Betreiber der großen Portale.

Es gibt einen Bundesdatenschutzbeauftragten, aber Eingriffe zum Schutz des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung sind entweder bislang ausgeblieben oder bleiben aufgrund der technischen Entwicklung folgenlos. Man wird in Fernsehsendungen vor betrügerischen Aktivitäten im Internet gewarnt, aber gleichzeitig wird Schritt für Schritt daran gearbeitet, das Fernmeldegeheimnis abzuschaffen und damit natürlich auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Wer etwa glaubt, dass ein so genannter Bundestrojaner den Terrorismus wirksam bekämpft, der hat meines Erachtens das Internet noch nicht so richtig verstanden. Wenn der PC eines Terroristen nicht in Deutschland steht (warum sollte er auch?), wird sich das BKA schwer tun, darauf etwas zu platzieren. Es ist also zu vermuten, dass die schleichende Einkreisung der Bevölkerung durch behördliches Equipment (Kameras, Mautsysteme, etc.) andere Zwecke verfolgt als der behauptete Schutz vor terroristischer Bedrohung. Allenfalls kann die Vorbeugung von Bombenattentaten als zufälliges Nebenprodukt dieser Maßnahmen resultieren.

Zurück zur Frage: Wem gehört das Internet?
Ich verlasse die Wohnung, gehe zum Bahnhof und bezahle am Fahrkartenautomaten mit meiner EC-Karte. In der Innenstadt gehe ich in ein Kaufhaus, kaufe zwei Bücher, ein T-Shirt und eine DVD. Wieder zahle ich mit der EC-Karte. Dann rufe ich einen Freund an und verabrede mich mit ihm.

Bis hierhin habe ich bereits drei Mal Informationen über mich an Privatunternehmen zur Speicherung überlassen. Die Kombination aus privat und behördlich gespeicherten Daten über Menschen muss jetzt nur noch zu einem Profil verarbeitet werden und für Böswillige zur Verfügung stehen.

Wäre das Internet bereits 1933 entstanden, hätten nur Adolf Hitler und Fräulein Braun den 2. Weltkrieg überlebt.

Ich bin nicht paranoid, bewege mich normal und hinterlasse Spuren. Ich glaube auch nicht, dass uns eine tyrannische, gewalttätige Diktatur bevorsteht. Ich befürchte vielmehr, dass die Datenhuberei bewirkt, dass die inoffizielle Diktatur der Datensammler und -besitzer zu unumkehrbaren Veränderungen bei den betroffenen Subjekten führt. – Informationen benötigen und bekommen; nur um den Preis der totalen Hingabe an nicht gewählte aber dafür umso souveränere Datenverwalter?

Es ist an der Zeit, darüber nachzudenken, wie die Nutzung des Internets als Quelle des Wissens und Medium der Kommunikation organisiert werden kann, ohne Informationen über seine Nutzer zu sammeln.

Dem Argument, man habe doch gar nichts zu verbergen, stelle ich entgegen: Wer nichts von mir will, braucht meine Daten auch nicht.

*Es gibt immer mehr Universitäten, die sich nach dem Modell des Public Private Partnership (PPP) sponsern lassen. Teure Ausstattungen wie z. B. PCs und Server werden dabei durch privatwirtschaftliche Unternehmen zur Verfügung gestellt, jedoch keineswegs übereignet.

ein Gastbeitrag von FrequentlyWrongAnswers

Bild: transCam

Zementblog bei Facebook!    Zementblog bei Twitter folgen!

Hauptspeise

Dessert

Dir gefällt Zementblog? Unterstütze uns mit einer Spende bei PayPal - jeder Beitrag zählt!

Schreibe den ersten Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.