Schule ist tatsächlich scheiße

Dass Schule scheiße ist, sagt man schnell mal. Aber warum ist Schule scheiße? Die Antwort fällt weniger leicht, will man nicht allzu plump argumentieren. Gegen den Strich geht nämlich nicht die Schule an sich, sondern jene nach Art des bürgerlich-parlamentardemokratischen Staates.

Wozu dient das Lernen, wenn nicht zur Bildung der Menschen für die Menschen? Im Neoliberalismus dient es nur noch dem Arbeitsmarkt. Wir haben nicht umsonst gerade zwei Lernschichten – die obere zur Erhaltung des Unternehmertums und die untere zur Heranbildung von Arbeitern; hübsch der gesellschaftlichen Ordnung entsprechend voneinander getrennt. Weniger Gymnasiasten gibt es nur, weil die herrschende Klasse für sich bleiben will. Und schließlich hat ein Unternehmen viele, viele Angestellte – aber nur einen Chef. Zuletzt hatte die Initiative „Wir wollen lernen!“ in Hamburg Erfolg dabei, gegen die Schulreform für eine Erhaltung dieses Systems vorzugehen.

Auch arbeitet der deutsche Bildungsapparat – im einen Bundesland mehr, im anderen weniger – frei nach dem Motto „Wer nicht passt, wird passend gemacht“. Entwickelt ein Schüler selbstständiges, kritisches Denken, hinterfragt er den Lernstoff, werden seine Unterrichtsbeiträge beiseite geschoben – vielleicht nicht einmal bewusst, der Lehrplan sorgt schon selbst dafür. Dieser ist in den entsprechenden geisteswissenschaftlichen Fächern so konzipiert, dass eine kritische Diskussion kaum oder nur in einem festgelegten Rahmen geführt werden kann. Das steht im Gegensatz zum vorgegaukelten Selbstverständnis der aufgeklärten Schule.

Schule macht dumm

Vor allem aber wird ein sogenanntes „demokratisches Grundverständnis“ vermittelt. Das bedeutet nichts weiter als Staatstreue und eine bürgerliche Haltung. Viele Schüler kommen nicht dahinter, weil sie die Dinge von Beginn an in dieser Form beigebracht bekommen haben. Man lehrt uns die absolute Wahrheit vom „Staat der Mitte“ und lässt uns diesen mit Frieden, Gerechtigkeit und all den verfassungsmäßigen Standards assoziieren, während wir bei den beiden gegensätzlichen Extremen – die im Kern gleichermaßen, weil ideologisch verwandt die Demokratie gefährden würden – nur an Gefahr und Bedrohung denken.

Schule macht also dumm und nicht schlau, weil sie bewusst desinformiert, da die Lehrpläne für bestimmte Fächer so ausgelegt sind, dass uns gewisse Informationen gezielt vorenthalten werden, damit die Schülerschaft keine fortschrittliche Gedanken entwickelt. Diese reaktionäre Unterrichtsform macht uns zu „neoliberalisierten“, persönlichkeitslosen, austauschbaren, mit Begriffen wie „Gewinnstreben“, „Kaufkraft“ und „Karriere“ ausgestatteten Hüllen. Wir werden auf den Arbeitsmarkt abgestimmt, damit wir der Welt etwas wert sind. Das funktioniert in der Schule durch Vermittlung ideologisch behafteter Logiken.

Somit sind grundsätzlich zwei Seiten dieser hässlichen Medaille zu betrachten: Zum einen der ideologische, zum andern der ökonomische Nutzen der Verwertbarmachung durch die Schule. Auf der ideologischen Seite werden Lämmer aus uns, die im Glauben, zu kritischem Denken in der Lage und somit „frei“ zu sein, beharrlich von der Wiese der sozialen Marktwirtschaft fressen. Zudem stehen wir nach abgeschlossener Schulausbildung der Wirtschaft frei zur Verfügung, werden also automatisch zu einem Mitspieler. Und weil die Unternehmen ein Interesse daran haben, dass wir dem Kapitalismus bedingungslos folgen – sonst würden wir vielleicht nicht mehr an Karriereleiter und Konkurrenzkampf glauben! -, sorgen sie mit allen Mitteln dafür. Da kommt dann die Privatisierung der Bildung ins Spiel.

Der Traum vom kapitalistisch-orthodoxen Schüler

Es klingt beinahe schon dystopisch, wäre es nicht schon längst Realität: Unternehmerverbände mischen sich in Bildungseinrichtungen ein, Schülern werden Unterrichtsmaterialien für Wirtschaftskurse von Unternehmern zur Verfügung gestellt, Schulen gehen Verträge mit Banken ein. Nach § 77 Hamburgischem Schulgesetz von 2009 etwa (Abschnitt „Besonderheiten der Schulverfassung an beruflichen Schulen“) wird der Schulvorstand unter anderem aus vier Wirtschaftsvertretern zusammengesetzt.

Viel müssen die Unternehmer selbst aber nicht machen, es reicht schon, wenn sich die EU darum kümmert, den jungen Menschen die Mär von der Marktwirtschaft in die Köpfe zu hämmern. Die hat bekanntlich genug Wirtschaftspersonal in den eigenen Reihen. Erschreckend ist aber dennoch zu beobachten, wie die Bildungsprivatisierung auch hierzulande näher rückt. Mit einer Regierung aus FDP und CDU sollten da auch keine großen Barrieren vorzufinden sein.

Es ist traurig anzusehen, wie unpolitisch der Großteil der Schüler währenddessen ist. Den vergleichsweise stärksten Widerstand leisten ihrer Lage bewusste Studierende. Doch an den Schulen wenden sich die zukünftigen Erben des Kapitals desinteressiert ab – was geht sie das schon an? Eben doch sehr viel. Es ist dringend notwendig, sich klar zu machen, wie das Instrument Schule funktioniert, was dahinter steckt, damit der Traum vom kapitalistisch-orthodoxen Schüler zerplatzen kann. Warum gerät die eigentliche Wirksamkeit des Mediums Schülerzeitung in Vergessenheit? Weil es niemanden interessiert. Interesse kann man allerdings auch wecken.

Basisdemokratische Bildungsstrukturen

„Hierzulande gibt es keinen Unterschied zwischen dem wirtschaftlichen Schicksal und den Menschen selbst. Keiner ist etwas anderes als sein Vermögen, sein Einkommen, seine Stellung, seine Chancen. […] Jeder ist so viel wert, wie er verdient, jeder verdient so viel er wert ist.“

– Max Horkheimer/Theodor W. Adorno
(Dialektik der Aufklärung, 1947)

Geht es also um die Erziehung zum arbeitsmarktkompatiblen Wirtschaftsobjekt? Wollen wir Menschen herausbilden, die sich willenlos fügen und nichts anderes können als mit dem System konform zu gehen? Wollen wir einen Menschen, der seine Identität durch seinen Wert auf dem Arbeitsmarkt definiert, seinen Körper zur Ware degradiert – oder geht es uns um uns selbst, um die Entwicklung freier, selbstbestimmter und politisch wacher Persönlichkeiten? Es muss um die Menschen hinter den Zahlen gehen. Denn wem sonst kann wertvolles Wissen denn nützen? Wann ist Wissen eigentlich wertvoll – und wann nützt es? Ist es wichtiger, zu wissen, wie der Wirtschaftskreislauf funktioniert oder wie wir ihn und anderes hinterfragen können? Wer legt die Antworten auf diese Fragen fest?

Die Antworten auf diese Fragen muss die Gesellschaft geben können, eben jene, die sich damit herumschlagen müssen, jene, die es etwas angeht. Also müssen basisdemokratische Bildungsstrukturen her. Nur so kann gesichert werden, dass Bildungsfragen nicht mehr von Wirtschafts- sondern von menschlichen, sozialen Interessen geleitet werden.

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Ein Kommentar

  1. Swiss Froggy
    November 16

    Ich bin dankbar, dass dieser Bericht online veröffentlicht wurde. Schule dient meiner Meinung dazu, die Menschen zur optimalen Ausnützung für die Wirtschaft abzurichten.

    Traurige Grüsse
    Swiss Froggy

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