Empirik und Aktion

Politische Partizipation anders gedacht

Dr. Jan Eichhorn ist Mitbegründer des politischen Think Tanks „d|part“ und unterrichtet und forscht an der University of Edinburgh in der School of Social and Political Sciences. In seinem Gastartikel für Zementblog.de erklärt er, warum es für junge Menschen schwierig sein kann, sich am politischen Geschehen zu beteiligen und wie „d|part“ das ändern möchte.


Was wurde nicht schon alles über die aktuell „junge“ Generation geschrieben. Wir sind politisch apathisch, Idealisten, überambitioniert, ausgelaugt, egoistisch, Utopisten, eine Enttäuschung für die 68er, die Zukunft, besorgniserregend oder auch einfach nur naiv – je nachdem, wessen Kolumnen man liest.

Nur weniges lässt sich mit Sicherheit sagen – aber es erscheint klar, dass wir es nicht mit einer homogenen Gruppe von Menschen zu tun haben, sondern sich eine große Vielzahl verschiedener Lebensentwürfe widerspiegeln. Mobilität und Kurzlebigkeit von Wohn- oder Arbeitsverhältnissen gehören zum Alltag vieler junger Menschen. Sie alle mit einer simplen Zusammenfassung zu beurteilen, erscheint daher wenig aufschlussreich.

Leider findet sich diese Flexibiltät von Lebensweisen im Großteil der etablierten Möglichkeiten politischer Partizipation nicht wieder. Die meisten Parteien sind in lokalen Gruppen organisiert und der Aufstieg traditionell zumeist immer noch am Anfang mit der Arbeit im Ortsverein verbunden. Auch andere Formen, außerhalb parlamentarischer Demokratie sind oft nicht wesentlich offener: Große NGOs sind häufig durch lokale Gruppen strukturell aufgestellt und erfordern einen gewissen Grad an Engagement. Bürgerinitiativen sind zumeist besonders lokal orientiert und damit vielen jungen, oft umziehenden Menschen verschlossen – zumindest in der Tiefe. Für eine Vielzahl junger Menschen, die sich gerne politisch einbringen wollen, bedeutet das oft die Schwierigkeit, in etablierten Strukturen kein zu Hause für derartiges politisches Engagement zu finden.

Natürlich gibt es Ausnahmen, aber selbst wenn Aktionsbündnisse explizit landesweit operieren, sind sie oft auf sehr spezifische Themen fokussiert. Organisationen wie „Mehr Demokratie e.V.“ beispielsweise ermöglichen es, sich für Bürgerentscheide und direkte Demokratie einzusetzen. Aber wie mit vielen themenbezogenen Initiativen besteht immer das Problem, das sie unter Umständen einseitig ein Programm unterstützen, von dem sie überzeugt sind, das aber eventuell empirisch nicht vollständig plausibel ist – zumindest nicht ohne Ergänzungen anderer Ansätze.

Somit ist es schwierig – wenngleich nicht unmöglich – sich extensiv politisch zu beteiligen, wenn man erstens nicht lokal gebunden ist und/oder zweitens sich nicht auf ein Programm oder ein Thema festlegen will, weil man Erkenntnisse aus verschiedenen Bereichen in seine Meinungsbildung mit einfließen lassen möchte. Eventuell klingt das wie ein stark konstruiertes Szenario, aber für die Gründerinnen und Gründer von „d|part“ waren sie sehr real. Wir wollten uns alle politisch engagieren, waren aber in verschiedenen Ländern, oft auch kurz vor einem Umzug in eine neue Stadt, und vor allem hatten wir alle mehrere Jahre von Studien und/oder Arbeitserfahrung hinter uns. Dabei haben wir es zu schätzen gelernt, eigene Analysen zu Fragestellungen offen durchführen zu können, um tiefgreifende Einblicke zu gewinnen, damit bessere Lösungsansätze entwickelt würden.

Wir fanden kein Forum, in dem wir diese Aspekte sinnvoll für uns zusammenbringen können. Deswegen haben wir den Think Tank „d|part“ gegründet. „d|part“ koordiniert Forschungsprojekte zu verschiedenen Themen politischer Partizipation, aber nicht nur aus akademischer Perspektive. Es ist explizites Ziel, Forschung mit Praxis zu kombinieren, denn an den Universitäten haben wir auch gelernt, das zu viel Forschung leider nur zwischen den Büros und Seminarräumen der Hochschulen ausgetauscht wird, aber wenig Einfluss darüber hinaus hat. „d|part“ hingegen bietet die Möglichkeit, sich offen und unvoreingenommen mit Fragestellungen zu politischer Partizipation auseinanderzusetzen.

Seit einem halben Jahr sind wir aktiv und haben bereits eine Reihe von Projekten angestoßen. Wir entwickeln einen neuen, umfangreichen Index zur vergleichbaren Messung des Umfangs politischer Partizipation, beschäftigen uns mit Fragen politischer Kultur in der Eurokrise und versuchen die Motivationen von Individuen zu ergründen, sich für oder gegen politische Partizipation zu entscheiden. Wir haben bereits Workshops für die Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) und Youth for Understanding (YFU) abgehalten, mit der Jacobs University Bremen eine Kooperation aufgebaut, um neue forschungsorientierte Kurse für Studenten zum Thema Partizipation zu entwickeln und mit der University of Edinburgh Projekte zu politischen Einstellungen von 14- bis 17-jährigen initiiert.

Nach dem erfolgreichen Start strukturieren wir die Projekte jetzt in einer effektiven Art und Weise und werden eine Menge spannender Initiativen im Verlauf des Jahres präsentieren. Unsere Arbeit kann auf unserer Website, auf unserem Blog, bei Facebook und Twitter verfolgt werden – und am meisten freuen wir uns immer über kritisches Feedback, Anregungen, Kommentare zu unseren Blogbeiträgen oder Ideen für Kooperationen und Seminare.

Unsere Website: www.politischepartizipation.de


Ein Gastbeitrag von Dr. Jan Eichhorn.

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