Privatisierung ist Enteignung

Spotify, Carsharing und die Zukunft des Privateigentums im Liberalismus

Hat sich das Prinzip Privateigentum verabschiedet? Ist der Aufstieg der Sharing Economy Zeichen des Niedergangs liberaler Fundamentalprinzipien, ein Widerspruch, der einen Wandel ankündigt? Oder haben wir es nur mit einer oberflächlichen Verschiebung des Ausdrucks von Eigentum zu tun? Im Folgenden soll erläutert werden, warum Letzteres wohl eine naheliegende Einschätzung sein dürfte.

Privatisierung und Enteignung werden im politischen sowie sozioökonomischen Sinn meist (wenn nicht immer) als diametrale Gegensätze verstanden und demenstprechend in Kontrast gesetzt. Im klassischen Liberalismus nimmt das Privateigentum eine besonders vordergründige Rolle ein – es ist dort ein Grundbedürfnis und eine Grundrecht, das sich im freiheitlichen Verständnis begründet sieht. Enteignung, in einem ganz anderen, vielleicht marxistischen Verständnis, lässt sich beschreiben als die (sowohl revolutionäre als auch reformistische) Praxis der Verstaatlichung von Privateigentum mit (üblicherweise) der Absicht, die Produktionsmittel in die Hände der Öffentlichkeit zu legen. Demnach verfolgt Letzteres vor allem ein emanzipatorisches Ziel: Eigentum ist Macht, und darum soll es entpartikularisiert werden.

Ganz anders sieht es heute aus im Sinne zeitgenössischer Innovativleistungen der sogenannten Sharing Economy. Diese zeichnet sich durch den Anspruch aus, Besitz zu trivialisieren und durch Flüchtigkeit zu ersetzen – eine, oberflächlich betrachtet, Anpassung an die Bedingungen eines Zeitalters, das dominiert wird von Moderation statt Richtung, Sprunghaftigkeit statt Sesshaftigkeit, Verflüchtigung statt Verfestigung.

Spotify und Netflix sind Vorzeige-Beispiele für zahlreiche Streaming-Angebote, die sich nicht einfach nur starker Beliebtheit erfreuen, sondern sich so stark im Alltag so vieler etabliert haben, dass das Monopol nicht weit scheint. Der TV-Markt beginnt, sich in Konkurrenz um immer interaktivere Angebote zu bemühen – dem aufgeregten Paddeln desjenigen gleich, der beim Schwimmunterricht nicht aufgepasst hat. Nicht aufgepasst, hier, so scheint es zumindest, wurde bei der rasanten, zeitrafferhaften Entwicklung dieser neuen Nutzungsformen des Internets. Streaming-Plattformen bestechen durch Unverbindlichkeit und vermeiden es, einen Eindruck von Permanenz oder Vertraglichkeit zu vermitteln.

An Stelle der Gleichung aus Produkt, Nutzen und Preis tritt eine Art Versicherungsmodell: Verbraucher bezahlen Flatrates, nicht Festpreise. Erkauft wird nicht mehr das spezifische Produkt, sondern der grundsätzliche Zugang zum solchen, die prinzipielle Möglichkeit der Nutzung wird mit einer Rate beglichen. Sei es ein Spotify-Premium-Account, ein Abonnement bei Netflix oder eine Mitgliedschaft im nächstbesten Carsharing-Netzwerk – aus der Banalität der Leihgebühr in der Stadtbibliothek ist etwas geworden, das sich anfühlt, als würde man Schulden abbezahlen, um am öffentlichen Leben teilhaben zu dürfen. Auf der Hand liegt der gesteigerte Profit: Es ist ein lukratives Unternehmen, die Kasse konstant klingeln zu lassen und an der Trägheit des Konsumenten zu verdienen; das wissen Versicherungsvertreter schon lange.

Diese Erkenntnis – der Gewinn – impliziert aber bereits das fehlende Wort im Lückentext, am anderen Ende der Nahrungskette: Verlust. Wir können hier das Ergebnis einer tragischen, wenngleich gesellschaftlich mehr als nur akzeptierten, Entwicklung beobachten: Aus Liberalisierung wurde Privatisierung. Privatisierung hat Innovation gefördert, das fanden wir ja so toll daran. Aus dieser Innovation sind Modelle wie die soeben besprochenen hervorgegangen. Am Ausgang derer steht aber keineswegs die Bereicherung der Allgemeinheit (da haben wir sie wieder, die Mär des wirtschaftlichen Fortschritts) – stattdessen haben diese Modelle nichts weiter zustandegebracht, als das Eigentum zu repartikularisieren und gleichzeitig, viel schlimmer, den Zugang dazu vollständig zu eliminieren.

Diese Eliminierung hat die Form einer Trivialisierung des Konzeptes Eigentum insgesamt angenommen, und erfreut sich somit breiter Zustimmung und Legitimität. Dein Alltag ruft nach Unverbindlichkeit? Klasse, die Sharing Economy ist für dich da! An die Stelle der Idee des Anteileigners ist nunmehr der Globalist getreten, der zugleich nichts ist – jemand, der Freiheit (im klassisch liberalen Sinn) genauso konsumiert wie Cornflakes.

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