Brimplementing the Brexit

Theresa May, die frische ernannte Premierministerin (vormalige Innenministerin) des Vereinigten Königreichs, hat stolz verkündet: „Brexit means brexit.“ Das ist ungefähr so unklar wie Unkloßbrühe. Was bedeutet der Brexit? Und wer muss das eigentlich machen? Alles Fragen, auf die nur die Zukunft Antworten weiß; so scheint es zumindest im Angesicht der gegenwärtigen Entwicklungen auf grünen Insel. Dass Großbritannien geografisch kein Teil des europäischen Festlandes ist, sollte jedem Fünfjährigen ohne Mühe verständlich sein. Doch nun ist das Unglaubliche Wahrheit geworden: die Briten sind raus. Wenngleich die unmittelbaren Folgen Chaos, Unverständnis und Desaster schienen, haben sich die ersten Stürme, so scheint es zumindest, gelegt.

Was jetzt? Nachdem David Cameron unmittelbar nach Ausgang des Votums seinen Rücktritt erklärte, begannen erste Gespräche über mögliche Kandidatinnen und Kandidaten für sein Amt. Das hat nun Theresa May übernommen, nach Thatcher die zweite Premierministerin in der Geschichte des Landes. Diese hat soeben den notorischen Brexit-Verfechter und ehemaligen Bürgermeister von London Boris Johnson zum Außenminister ernannt – ein Schritt der von linkeren Elementen in der britischen Politik scharf kritisiert wird, andererseits sich aber als taktisch gar nicht dumm erweisen könnte. Auf diese Weise nämlich integriert Mays Kabinett Schlüsselfiguren die der „brimplementation des brexit“ Legitimität verleihen können.

Andererseits ist es unabdingbar, sich in Erinnerung zu rufen, woher die Bestrebungen zum Brexit ursprünglich rührten: von missbrauchtem Ressentiment. Wer mit der machiavellistischen TV-Serie House of Cards vertraut ist, wird in den geschickten Manipulationsexperten der Leave-Kampagne schon längst Figuren entdeckt haben, die – manchmal mehr, manchmal weniger – an das verschwörerische Marionettenspiel von Frank Underwood erinnern. Gefühle, ganz besonders Ängste, werden hier wie dort in zielgerichteter Manier geschürt oder ausgebeutet – im Namen von Stimmjagd und Machtgelüsten, nicht politischen Idealen.

Ist bei all diesen trockenen Bemerkungen noch Platz für Ideale? Der Realismus scheint sich durchgesetzt zu haben, und das längst nicht mehr nur in akademischen Kreisen, sondern auch in unserer Herangehensweise an „das Politische“. Resignation und Passivität sind seine treuen Begleiter und willkommene Sargdeckel des Aktivismus. Die Schlagzeilen sind also den sogenannten „Migrationsströmen“ hinterhergejagt und haben die alten Briten gegen den Rest aufgebracht – mit erschütterndem, einschlagenden Erfolg. Das Ganze ist aber nicht nur eine Bild-Titelseite oder ein zorniger Nachbar – es ist eine echte politische Wirklichkeit, ein realer Wandel, der sich gerade vollzieht.

Und doch ist Raum für Optimismus – denn wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. So hat mancher Zyniker bereits mit einem hämischen Schmunzeln verkündet, sich von nun an einfach gemächlich zurückzulehnen und den Briten beim Zusammenbrechen zuzusehen. Richtige Ökonomen sind felsenfest davon überzeugt, dass der Brexit selbst aus wirtschaftlichen Überlegungen keinen Sinn macht, während Menschenrechtler und Flüchtlingsexperten schon jetzt mit dem Finger auf sich häufende Übergriffe auf Migranten deuten.

Das ist Chaos ist also durchwachsen, und die Wellen brechen in konzentrischen Kreisen. Während Schottland so tut, als könne es den Brexit ohne weiteres boykottieren, beißen sich die Nordiren in lauter Sorge um die nächsten Troubles die Fingernägel ab. Für Brennstoff ist zumindest gesorgt. Es bedarf keines Apokalyptologen um anzumerken, dass spätestens jetzt (eigentlich aber schon seit Ungarn oder Polen) die Zeit gekommen ist, doch noch einmal ordentlich über Europa nachzudenken.

 

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