Interview: Philip Steffan

Philip SteffanPhilip Steffan ist Initiator des Projekts „Bausteln“ (ein Kunstwort aus „bauen“ und „basteln“), bei dem es um die „Demokratisierung des Produktionswissens“ geht. Was genau damit gemeint ist und wie dafür vorgegangen wird, erfahren Sie im Gespräch mit Zementblog.

Zementblog: Was ist „Bausteln“? Wozu ist das gut? Wie sind Sie darauf gekommen?

Philip Steffan: Die Idee dazu kam nach dem Kongress des Chaos Computer Club im Dezember 2008 hier in Berlin auf. Ich hatte schon seit dem Sommer 2008 nach einer Beschäftigung gesucht, die mich irgendwie glücklich macht. Auf dem Kongress gab es einige Vorträge zum Thema „Do it yourself“ und „making“ und mir wurde bewusst, dass diese Bereiche hierzulande kaum behandelt wird. Die Idee war zunächst, dass man einen Raum für das Bausteln haben müsste. Da habe ich mir einige Gedanken zu gemacht und sie hier in Berlin auf dem Webmontag einmal vorgestellt. Darüber kam der Kontakt zum Hallenprojekt, das sich zur Aufgabe gemacht hatte, Coworking Spaces, also gemeinsame Arbeitsräume zu fördern und zu vernetzen. In dem Konzept ging es vor Allem um „Laptoparbeiter“, die nicht nur daheim oder im Café sitzen wollen. Aber ich dachte: Das kann ja auch für andere kreative Arbeit gelten. Ohne Raum habe ich dann erst mal mit Workshops angefangen.

Waren Sie schon vorher in dem Bereich aktiv?

Ich habe schon immer gerne Dinge selbst auch manuell ausprobiert und war den Werkraum im Keller meiner Eltern gewöhnt. Ich habe schon als Kind einen Werkzeugkasten mit Lötkolben zu Weihnachten bekommen.

Es kamen auf Anhieb positive Rückmeldungen zu Ihrer Idee, sodass Sie schnell Unterstützung fanden?

Ja, dann bin ich auch endlich über das Hackerspace-Manifest gestolpert, das ganz ähnliche Ideen verfolgt. Inspiriert vom „Webmontag“ habe ich dann einfach in einem Cafe gegenüber meiner Wohnung den „Baustelmontag“ ausgerufen – und gleich beim ersten Mal kamen über 30 Leute. Ausgehend von den Workshops (erst mal Elektronik, weil ich da ein Bisschen Ahnung habe) ist dann das Arduino-Set entstanden, das ich dann irgendwie eher zufällig über die Website verkauft habe. Eigentlich will ich noch viel mehr inhaltliche Dinge machen und nicht nur Elektronik, das war eben der Einstiegspunkt.

Das „Hackerspace-Manifest“?

Hackerspaces sollen offene Werkstätten zum „hacken“ sein, sei es in Sachen Software oder Hardware. Die meisten Ortsgruppen des Chaos Computer Club betreiben so etwas.

Wie kamen Sie zur Arduino-Plattform?

Ein Freund von mir hatte einfach mal seinen Arduino mitgebracht und wir hatten in 10 Minuten einen Aufbau auf einem Steckbrett und ein Programm in Processing, das ausgehend von der Helligkeit eine Grafik zeichnete. Da war ich schon sehr beeindruckt, wie schnell das alles realisierbar war. Ich hatte mir schon lange einen Arduino kaufen wollen, weil ich im Internet so viele Projekte damit gesehen hatte, aber als ich das Ganze direkt ausprobiert hatte, war ich dann überzeugt. Das ist dann auch so ein Bisschen die Idee beim Bausteln – Jemandem spontan zu zeigen: Schau mal, so geht das.

Sind daraus dann auch schnell größere, „nutzbarere“ Projekte geworden?

Ich habe ironischerweise selbst noch kein größeres Gerät mit dem Arduino gebaut, weil ich zeitlich gar nicht dazu komme. Ich erzähle zwar on- und offline vielen Leuten, was sie alles damit machen können und freue mich dann, was sie hinbekommen. Meistens jedoch verschlingt das soviel Zeit, dass ich zu eigenen Projekten oft gar nicht komme. Ich habe hier seit 3 Jahren immer noch einen MIDI-Controller für Musik am Laptop halbfertig herumliegen, den ich unbedingt fertig machen will. Er hat die Form einer Gitarre, ist also ein umhängbarer Controller, mit dem man auch als Laptop-Musiker „rocken“ kann. Im Moment bauen wir auch – immer noch – unseren „Makerbot“ zusammen, das ist ein Open-Source-3D-Drucker, mit dem wir ebenfalls das Digitale mit dem Anfassbaren verbinden wollen. Das ist meiner Meinung nach auch ein wichtiger Bestandteil des Konzepts von „Bausteln“: Kreativität mit den Möglichkeiten von Computern und einem Medium wie dem Internet, aber eben nicht nur in virtueller Form.

Was ist mit dem „Botanifon“?

Das „Botanifon“ haben wir zur „re:publica“ im April in Berlin erstmalig angeboten. Wir dachten, das wäre eine witzige Idee, um die eher Internet-affinen Personen dort von unserem Projekt zu begeistern. Auf der Konferenz benutzten fast alle Twitter, daher war es logisch, einen Bausatz anzubieten, der damit zu tun hat. Es geht mir beim „Bausteln“ auch gar nicht nur um Arduino, das ist nur ein sehr schönes Bauteil, um die physische und die digitale Welt miteinander zu verknüpfen.

Haben Sie schon an ein Roboter-Projekt mit dem Arduino-Board gedacht? Ist Arduino als „Lego Mindstorms“-Ersatz denkbar?

Ich selbst habe noch kein Roboter-Projekt angestoßen, aber das definitive Interesse, das auch mal zu machen. Es kommen gerade auch aus Universitäten und Schulen Meldungen, dass Interesse an Arduino besteht – so viel zum Vergleich mit „Lego Mindstorms„.

Was hat es mit dem Mikrocontroller-Labor und dem „Tinkerkit“ auf sich?

Ah, das ist ein schönes Projekt. „Tinkerkit“ ist ein Konzept zur Erhöhung der Abstraktion von Arduino-Aufbauten: Es gibt Module, die immer das gleiche Anschlusskabel haben und verschiedene Sensoren und Aktoren tragen. Damit stöpselt man noch einfacher als sonst Prototypen oder funktionale Geräte zusammen. Das „Labor“ ist eine darauf basierende Idee von Helmut von „Infragelb„: Ein in einem Koffer eingebautes komplettes Experimentierset mit ebensolchen Modulen zum Einsatz zum Beispiel in Berufsschulen, natürlich aber auch überall sonst.

Gibt es „Tinkerkit“-Module schon zu kaufen, oder ist das nur eine theoretische Idee? Im „Bausteln“-Wiki ist ein Dokument verlinkt, in dem man sieht, dass die Platinen selbst gebaut wurden.

Ja, das ist aber kein Projekt von mir, auch wenn das auf dem „Baustelmontag“ vorgestellt wurde. „Tinkerkit“ soll bisher aber nur als Konzept existieren.

Basiert das Mikrocontroller-Labor noch auf Arduino? Und ist es in der Art der Kosmos-Kästen gedacht?

Es basiert auf dem Arduino. Sicher könnte man es mit Kosmos-Kästen vergleichen, ich glaube nur, es soll etwas haltbarer sein. Also in einem Koffer und mit festen Montagehalterungen und so weiter.

Also soll das Ganze nicht als Verbrauchs-, sondern als Lehrmaterial dienen?

Beides. Das ist ja das Schöne an solchen Ideen. Gebaut wird es wohl erst einmal als Lehrmittel, aber wer dann was damit umsetzt, bleibt natürlich offen.

Lässt sich mit Ihren vielen Projekten auch Geld verdienen?

Momentan noch nicht. Der Verkauf von Arduino-Boards und -Sets läuft nebenbei, wirft aber im Vergleich zum Aufwand kein Geld ab. Wir wollen unter Anderem mit Veranstaltungen, Workshops, dem Online-Shop und vielleicht mal einem Festival ausprobieren, was man im Bereich „Do it yourself“ alles machen kann und dann sehen, ob da irgendwo Geld reinkommt. Ich bin zufrieden und bin froh, wenn ich nebenher etwas Neues lerne – da geht es erstmal nicht um Geld. Eigentlich ist „Bausteln“ ein reines Bildungsprojekt. Auch, wenn das so formuliert sehr trocken klingt: Erlebnispädagogik für alle.

Eine Art Austausch über das Selbermachen, bei der jeder von jedem lernt? Ist das die „Demokratisierung des Produktionswissens“, wie es im „Bausteln“-Slogan heißt?

Ja, das ist die Idee dahinter. Mir ist wichtig, dass man online und offline kommuniziert, dass man – wie im Open Source-Bereich – seine Ideen dokumentiert und weitergibt. Man kann online so viele Informationen und Inspiration finden, gleichzeitig macht es aber auch viel Spaß, dieses Wissen gemeinsam vor Ort im persönlichen Kontakt auszuprobieren. Das ist die Idee hinter dem Slogan. Vor allem will ich irgendwann erreichen, dass man nicht nur in den Gruppen miteinander kommuniziert und arbeitet, die sich sowieso schon kennen. Die Berliner „Internet-Elite“ etwa redet gerne nur mit sich selbst. Das will ich beim „Bausteln“ verhindern.

Sie versuchen sozusagen – wo Sie gerade auf Open Source zu sprechen kommen – die Welt von GNU, Linux et cetera ins echte, greifbare, reale Leben zu übertragen? So, wie es auch in den USA teilweise stattfindet?

Ja, ich glaube, dass man da in den USA schon weiter ist, jedenfalls in großen Städten wie New York oder San Francisco. Open Source ist auf jeden Fall sehr wichtig als Konzept hinter der ganzen Sache. Einerseits, wenn es um die Soft- und Hardware geht, die man einsetzt, wie zum Beispiel beim Arduino. Aber auch als Kommunikationskultur und die Idee, dass Wissen durch Teilen wächst.

In den Vereinigten Staaten gibt es auch die große „Maker“-Gemeinde, die finanziell nicht schlecht dran ist, wie man am „Makerfaire“, „Makershed“ oder am „Makezine“ sieht.

Ja, etwas, wie es bei „Makezine“ existiert, wäre natürlich ein Wunschziel, da liegt aber noch einiges an Arbeit vor mir. Es gibt aber schon Planungen zu einem „Do it yourself“-Festival hier in Deutschland, darauf will ich unter Anderem auch hinarbeiten.

Wie stellen Sie sich die Verbreitung Ihrer Ideen vor? In Deutschland gibt es noch so Einige, die noch nichts davon oder von Ähnlichem gehört haben.

Interviews wie dieses oder das bei Deutschlandradio Kultur in der Sendung „Breitband“ sind schon mal ein guter Ansatz.

Allerdings lesen/hören solche Interviews oftmals eher die, die mit diesen Thematiken schon vertraut sind, oder?

Ja, oft ist das das grundsätzliche Problem. Aber ich versuche natürlich auch, mit möglichst vielen Leuten darüber zu reden und die Ideen auch in andere Kreise hineinzutragen. Ich muss mich noch mehr aktiv darum kümmern – auch ein Projekt ab September. In Berlin wird – auch im September – außerdem noch ein Festival stattfinden, das sich mit verschiedenen Themen wie „Coworking“, Politik, „Open Everything“ und auch „Do it yourself“ beschäftigt. Dort bin ich mit im Team und wir versuchen, verschiedene Ansätze, wie man seine Lebenswelten gestalten kann, auch an neue Zielgruppen heranzutragen.

Wie sieht es mit der Finanzierung aus?

Es gab schon einige Ideen in Sachen „Do it yourself“-Finanzierung – im direkten Wortsinn. Eben weil man „Do it yourself“ propagiert, müsste sich da ja auch etwas selbst Gemachtes finden lassen. Leider sind mir die dafür nötigen Finanziers noch nicht begegnet. Wir überlegen aber noch, ob ein genossenschaftliches System einer wie auch immer gearteten Teilhaber- oder Geldgeberschaft sinnvoll ist.

Was planen Sie, was soll als Nächstes kommen?

Seit einigen Wochen arbeite ich hier in Berlin in einem „Coworking Space“ namens „Studio 70„. Wir hatten das Glück, eine Etage zu finden, in der bereits eine „Bar“, ein großer Mehrzweckraum und eine Werkstatt vorhanden sind. Diesen Ort nutzt eine Gruppe von Leuten nun zum Arbeiten, hauptsächlich am Laptop. Ich versuche nach und nach, die Werkstatt mehr zu nutzen. Wir planen hier einige Ereignisse für den Herbst. Es wird wohl einen wöchentlichen Termin geben, in der Regel einfach so eine Art „offenes Bausteln“, zu dem jeder kommen kann und bei dem gemeinsam an Projekten gearbeitet wird. Darüber hinaus sind aber auch Sonderveranstaltungen wie Konzerte mit Eigenbau-Instrumenten und vielleicht auch mal ein Strick- und Häkel-Abend geplant.

Denken Sie bei Sachen wie einem „Strick- und Häkel-Abend“ an die Kooperation mit „DaWanda“?

Ja, die Kooperation mit „DaWanda“ auf unserem gemeinsamen Workshop war ein schöner Startschuss für das, was ich mir unter „Bausteln“ vorgestellt hatte: Nämlich, dass man gemeinsam und interdisziplinär an Dingen arbeitet und jeder dabei auch etwas lernt, was er eben vorher noch nicht konnte. Ich kann zum Beispiel immer noch nicht stricken. Wir werden sicher auch in Zukunft mit „DaWanda“ das eine oder andere Projekt angehen.

Wie geht es auf lange Sicht weiter, was ist Ihr Endziel, was wollen Sie im Allgemeinen aussagen, vermitteln?

Ich bin nicht sehr gut im Planen auf lange Sicht. Ich kann nur sagen, dass ich hoffe, mit „Bausteln“ ein Projekt zu haben, das mir noch lang Freude bereiten wird und hoffentlich auch mal meine Miete bezahlt. Ich will in Zukunft noch mehr kommunizieren und Menschen untereinander und mit Wissen zusammenbringen. Erst hatten wir nur die Website, dann verstreute Workshops und Vorträge – und jetzt haben wir die Möglichkeit, auch vor Ort konkreter weiterzuarbeiten. Das wird natürlich erst einmal nur hier in Berlin sein, soll aber soweit es geht auch immer online einsehbar sein, um andere zu inspirieren. Und ich hoffe, dass ich viel bei all diesen Dingen lerne.

Bild: Matthias Bauer

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