Ein Horst weniger

Schloss Bellevue
Jetzt ohne Horst: Schloss Bellevue.

Bundespräsident Horst Köhler tritt mit sofortiger Wirkung zurück – das verkündete er heute auf einer Pressekonferenz in Begleitung seiner Frau, mit sichtlich erschütterter Miene und bewegtem Herzen. Einen derart unangekündigten, überraschenden Rücktritt habe es „in Deutschland bisher noch nie gegeben“, bauscht Spiegel Online das Ereignis auf und rührt am deutschen Herzen: „Dem Staatsoberhaupt standen Tränen in den Augen. Streckenweise versagte ihm die Stimme.“ (Quelle). Vermutlich war es ihm einfach peinlich, wie er da versuchte, wenigstens noch die gute Absicht zu erklären.

Es scheint Rücktrittssaison zu sein, denn vergangene Woche erst verabschiedete sich Roland Koch von seinem Amt als Ministerpräsident Hessens. Diesmal aber wird gleich das höchste Staatsamt abgegeben. Warum? Köhler, kurz davor zu weinen, begründete seine Entscheidung damit, dass es der Kritik an seinen Äußerungen zum Kriegseinsatz Deutschlands an Respekt gefehlt habe – sie entbehre „jeder Rechtfertigung“. Zuvor hatte er in der Rede sein Bedauern bekundet, dass diese Äußerungen „zu Missverständnissen führen konnten“.

Die Argumentation von Köhlers Rücktrittserklärung lässt doch sehr zu Wünschen übrig. So fragt man sich, ob es überhaupt zu rechtfertigen ist, dass der Bundespräsident hier den Spieß einfach umdreht und behauptet, sein Status versichere ihm den Respekt, nicht sein Handeln – oder anders ausgedrückt: muss sein Handeln nicht erst seinem Status entsprechen, so man ihn entsprechend respektieren soll? Das tut es nicht, wenn er sagt, dass „ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit … wissen muss, dass … im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege …“ (Deutschlandradio, via Feynsinn). Was ist das anderes als die Legitimierung eines Kriegseinsatzes durch deutsche Wirtschaftsinteressen? Was ist das anderes als das zynische Voranstellen von Staatsinteressen gegenüber Menschenleben?

So hat Köhler kein Recht, sich auf Respekt zu berufen. Seine Aussagen im Interview beim Deutschlandradio sind pure Wahrheit, ja, aber für einen hochrangigen Politiker so untypisch auf den Punkt gebracht, dass man meinen möchte, man habe ihm ein „Wahrheitsserum verabreicht“ (Toms Wochenschau). Eine so ungern gehörte Wahrheit, dass es dem Image des neunten Bundespräsidenten nur schadete, würde er nicht zurücktreten. Und das tut er nun, schweren Herzens und mit einer geschickten Ausrede. Lebe er wohl.

Bild: Polylooks

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