Darum ein Schülerbund!

ProtestWas sind das für Tage? Tage, in denen Kinder mit Migrationshintergrund und Arbeiterkinder weniger Chancen in der Schule haben als „Deutsche“. Tage, in denen die Schülerschaft des zehnten Jahrgangs mit dem Stoff zweier Jahrgänge belastet wird: Seitdem das Gymnasium nach der 12. statt nach der 13. Klasse endet, kommen auch Fachlehrkräfte nicht mit der Lehrplankollision zurecht. Der Rektor, Henker in diesem rigiden Bildungsapparat, kann nur immer wieder dar­auf zurückkommen, dass auch ihm die Hände gebunden sind. Es sind Tage, in denen man die Investition scheut – natürlich ist es einfacher, Westerwelle und seinen Freunden ein komfortableres Leben zu schaffen und Banken aus ihren selbstverschuldeten Krisen zu helfen. Deutschlands Bildungsausgaben lagen nach den Statistiken des OECD im Jahr 2006 mit 4,8 % des Bruttoinlandspro­duktes 0,7 % unter dem Durchschnitt – und das in einem der reichsten Länder der Welt!

Ich frage noch einmal: Was sind das für Tage? Tage, in denen Schüler um fünf Uhr aufstehen müssen, um zur Frühstunde zu kommen. Tage, in denen die Wo­chenenden gänzlich von schulisch bedingtem Stress eingenommen werden, weil wir uns auf mehrere Referate und mehrere Arbeiten für die nächste Woche vorbereiten müssen. Gleichzeitig Tage, in denen die Ankündigung von Unter­richtsausfall versäumt wird und diese Respektlosigkeit gegenüber dem ohnehin schon beengten Lehrplan uns Schüler zum zwecklosen Zeitvertreib zwingt, der uns weder Fortschritt noch Motivation beschert.

Wo sind die Tage, in denen Schule von Enthusiasmus und Freude am Lernen be­gleitet wird, von Motivation und wachem Verstand, vom Begriff der Schule als sowohl fachlich als auch sozial bildende Einrichtung? Diese Tage sind in ande­ren Ländern zu finden, in Finnland, Schweden oder Australien – sie wissen, dass es auch anders geht und haben „überproportional in Bildung investiert und/oder ihr Bildungssystem reformiert“ (Dieter Dohmen, Deutschlands Bil­dungssystem im internationalen Vergleich, SdI 2/05). Diese Reformer haben sich nicht zuletzt an bereits bestehenden Systemen oder solchen, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, orientiert. Warum hat die Bildungsreform in Finnland etwa auf Anhieb so gut funktioniert? Warum ist der Analphabeten-An­teil dort so unverhältnismäßig klein und der zufriedener Schüler so unverhält­nismäßig groß? Man hat begriffen, worum es geht: Um gemeinsames Lernen mit gleichen Chancen für alle und eine übersichtliche Struktur, die alle Notwen­digkeiten erfüllt und ein angenehmes, pädagogisch wertvolles Lernumfeld er­möglicht. Schließlich aber auch um angemessene Bildungsausgaben.

Aufgrund dieser schlechten Lage für viele, aufgrund dieses weiteren Schauplat­zes der Zweiklassengesellschaft und schließlich auch aufgrund der hohen Be­lastung durch das Lernen, die die Motivation drastisch vermindert und den Er­folg immer unwahrscheinlicher macht, brauchen wir ein Bündnis der Schüler: Eine solidarische Gruppierung der Schüler des Hamburger Bildungssystems, die sich mit kämpferischem Geist für die Reform und bessere Lernverhältnisse ein­setzen. Wir wollen:

  • die Durchsetzung der Hamburger Schulreform!
    • die erzkonservative Eliten-Elterninitiative „Wir wollen lernen!“ darf mit ihrem Volksentscheid nicht durchkommen. Die Schulreform ist die Chance für Hamburg, bildungsbezogenes Vorbild für die ande­ren Bundesländer zu werden und einen ersten Schritt in die richtige Richtung zu gehen.
  • mehr Investition in Bildung!
    • mit 4,8 % des BIP liegt Deutschland als eines der reichsten Länder der Welt unter dem OECD-Durchschnitt von 5,5 % des BIP an Bil­dungsausgaben. Das muss sich ändern – und das ist möglich!
  • die 13. Klasse am Gymnasium zurück!
    • der Status Quo zeigt, dass die Abschaffung der 13. Klasse am Gym­nasium nur zu erhöhtem Lernstress geführt und den Lehrplan chao­tisiert hat.
  • keine Frühstunden!
    • Frühstunden sind inhuman, wenn ein Schüler dadurch dazu ge­zwungen ist, mitten in der Nacht aufzustehen und noch im Halb­schlaf in den Unterricht zu gehen. Die Konzentration jenes Schülers ist so im Keller, die Lernbereitschaft für den restlichen Tag genauso.
  • nicht mehr als zwei Klausuren/Referate/sonstige Arbeiten in der Woche!
    • zudem ist eine Arbeit an einem Tag das absolute Maximum; Nicht­einhaltung des zu Schuljahresbeginn festgelegten Arbeitsplans kommt nicht infrage.
  • eine bessere Verwaltung der Unterrichtseinheiten!
    • Unterrichtsausfall ohne Bescheid führt zu Unzufriedenheit und Anti­pathie gegenüber dem Schulwesen. Nicht umsonst gibt es Vertre­tungspläne – diese müssen allerdings spätestens am Vortag entwor­fen sein.

So lauten die bisher erarbeiteten Forderungen des institutions- und system-un­abhängigen Schülerbundes. Weitere Vorschläge, Ideen, Anregungen sind er­wünscht. Der Gedanke des Schülerbundes basiert auf aktuellem Bezug und der Situation in Hamburg. Die Aktion kann in Form von Demonstrationspräsenz, Flugblättern, Unterschriftenlisten, vielleicht sogar Debatten und Vorträgen ab­laufen. Wir unterstützen die Initiative der Schulverbesserer und treten ein für eine grundlegende Veränderung der vorhandenen Verhältnisse und einen Sinn für Gerechtigkeit und Gleichheit. Herkunft und Schichtzugehörigkeit haben in der Bildung als Qualifikationsfaktoren nichts zu suchen.

So viel Unzufriedenheit, so viele Unstimmigkeiten, so viele Probleme brauchen eine starke Gegenbewegung. Jeder muss seinen Teil zu dieser Opposition bei­tragen, denn jede Stimme kann der Flügelschlag des Schmetterlings sein, der einen Tornado auslöst. Wir wollen als loser Zusammenschluss, ohne Abhängig­keit von einer Bildungseinrichtung, mitmachen und aktiv für mehr Gerechtig­keit und Chancengleichheit im deutschen und insbesondere im Hamburger Bil­dungssystem eintreten – darum ein Schülerbund! Darum der Sozialistische Bund der Schüler!

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Ein Kommentar

  1. Februar 20

    Starker Aufruf!
    Gibt es eine zentrale Organisationsstelle dafür? So etwas sollte wirklich bundesweit durchgesetzt werden. Quasi eine Gewerkschaft für Schüler. Diese sollte auch in den normalen Politik und Gesellschaftsbetrieb intgriert sein. Forderung gäbe es genug – ob individuell oder Länderübergreifend.

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