Eintausend Gesichter

Das neue Album „A Thousand Faces“ von Yellow Umbrella

Das neue Album der multikulturellen Ska- und Reggae-Band Yellow Umbrella trifft mit dem Titel „A Thousand Faces“ den Nagel auf den Kopf: Eintausend Gesichter hat die Großstadt, eintausend Gesichter hat die Welt in all ihrer kulturellen, musikalischen Vielfalt. So ist „A Thousand Faces“ auch ein sehr flüchtiges Album, das einerseits seiner Linie – nämlich die, keine zu haben – beständig treu bleibt, andererseits gewissermaßen enttäuscht.

Yellow Umbrella bestachen seit ihrer Gründung 1994 in Dresden durch ihre Vielseitigkeit: überraschende Kompositionen aus Ska, Reggae, aber auch Klezmer und orientalischen Klängen waren die Regel. Die Texte waren meistens relativ seicht und einfach gehalten, fügten sich aber immer gut in das Gesamtbild ein. 2003 jedoch löste sich die Band nach einer Abschiedstour auf. Als sie 2007 schließlich das Comeback-Album „Little Planet“ veröffentlichten, freute man sich wieder auf das stimmungsvolle Ensemble, konnte aber schnell eine markante Veränderung wahrnehmen: Die Energie von Yellow Umbrella hatte offenbar nachgelassen, der zum Platzen gefüllte Luftballon wurde langsam schlaff.

Das ließ sich auch bei „A Thousand Faces“ feststellen – viele gute Ideen ziehen sich durch das Album, doch ihre Umsetzung hinterlässt einen schwachen Eindruck. Der musikalische Einfallsreichtum der Band scheint zudem nachzulassen – lediglich ein Drittel der Songs überzeugt den Zuhörer mit rhythmischer, musikalischer oder inhaltlicher Stärke. Ansonsten dominiert die Einseitigkeit und Lustlosigkeit das instrumentale Geschehen. Auch der Text wirkt schläfrig und nur selten wach, schwungvoll und emotional bei der Sache. Schade ist dabei, dass manch guter Einstieg, manch glanzvolles Solo, manch spannende Idee im richtungslosen, ausgelaugt erscheinenden Grundmuster des Albums untergeht. Dieser Eindruck entsteht schon beim einleitenden Musikstück „Aranjuez“, in dem etwa die Blasinstrumente eine einzige Stimme bilden und dadurch in der Aufnahme als zähflüssiger Casio-Sound auftreten.

Songs wie „Almanya“ oder „Time Time Time“, bei denen Künstler von außerhalb mitgewirkt haben, sind zwar weiterhin sehr ruhig und entspannt, aber nicht träge – sie fließen klar und konstant, aber nicht monoton oder repetitiv. Ebenso ist es insgesamt mit der Stimme – ob Reggae-Rap, Swing-Geschwinge oder Feierabendgesang: Es geht an keiner Stelle auf die Nerven.

Es hätte also eindeutig mehr aus „A Thousand Faces“ gemacht werden können. Yellow Umbrella gibt dem im Ska so beliebten schwarz-weißen Karomuster eine ganz neue Bedeutung: Qualitative Wechselhaftigkeit. Bedauerlicherweise überzeugt die Band nicht mehr, sie scheint aus der Puste zu sein. Bei den meisten Liedern des neuen Albums sieht man das gewisse Etwas schon kommen, wartet aber vergeblich auf seine Ankunft. „A Thousand Faces“ fehlt Mut, Entschlossenheit und ein Leitmotiv. Die Musik ist nicht schlecht, doch es verbleibt ein schwer definierbarer Eindruck von Unsicherheit und Blässe. Die eintausend Gesichter hätten einzeln beleuchtet und hervorgehoben werden müssen. Vielleicht liegt es aber auch am tristen Alltag der Großstadt, dass jene eintausend Gesichter zu einem einheitlich grauen, konturlosen Brei verrührt wurden.

A Thousand Faces. Yellow Umbrella, Rain Records, 2010.

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