Wie Uwe Kalbe heute im Neuen Deutschland schrieb, wünscht sich Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von Bloggern die Nennung von „Ross und Reiter statt Nicknamen“. Das sei eine Reaktion auf die tragischen Vorfälle in Norwegen (ich berichtete). Der Täter Anders Behring Breivik hatte für seine Argumente unter anderem ein starkes Bezugsnetz im Internet gefunden, in dem rechtspopulistische Communities eher die Regel als die Ausnahme sind. Auch erfreuen sich Blogs, die offen rechtes Gedankengut verbreiten, großer Beliebtheit.
Vielleicht ist es gerade die Anonymität, die einen großen Reiz auf Internetnutzer ausübt – mit einem Mausklick können sie Dingen zustimmen, ohne die Mühen aufzubringen, vorher darüber nachzudenken. So hat schließlich auch der „Gefällt mir!“-Button einen hohen Stellenwert in den sogenannten Sozialen Netzwerken. Dass einem etwas gefällt, geht einem plötzlich leichter denn je über die Lippen. Da Rechtspopulismus Stammtischparolen aufgreift und bestätigt, also davon lebt, bei vielen das Gefühl auszulösen, etwas wurde „endlich ausgesprochen“, ist die Schnelllebigkeit des Internets als Einflussfaktor sicher nicht zu unterschätzen.
Wie man es nicht anders kennt, ziehen einige Menschen die falschen Schlüsse aus derlei Erkenntnissen, etwa Herr Friedrich. Denn erstens besteht ohnehin bereits die Impressumspflicht für den Betreiber eines Blogs. Die Anonymität des Kommentators im Blog lässt sich hingegen nicht vermeiden, da er nicht zwangsläufig eine eigene „Insel“, also Website betreibt. Einige Blogs werden allerdings im Ausland gehostet und werden damit der dortigen Jurisdiktion unterstellt, Friedrich kann da also nichts machen. Das ist insofern schade, als dass aus demselben Grund auch Facebook massive Datenschutzverletzungen begehen kann, ohne rechtlich dafür belangt zu werden.
Zurück zum Nazinetz: Vielleicht sollte Friedrich – apropos Facebook – auf die Marketing-Strategien der Sozialen Netzwerke zurückgreifen. Dort nämlich gilt längst nicht mehr die Identität, sondern das Profil als eigentlicher Verkaufswert. Das nimmt zumindest einem Teil der zur Zeit geführten Datenschutz-Debatte den Wind aus den Segeln.
Weil man niemanden dazu zwingen kann, den bürgerlichen Namen einzugeben, haben Unternehmen wie Facebook diesen Teil des Datensatzes als irrelevant abgeschrieben. Trotzdem kannst du in deinem Handeln unverwechselbar nachvollzogen werden – denn du bist der einzige mit genau der Interessenkombination, die sich aus deinen Äußerungen im Sozialen Netzwerk ergibt. Das ist das Profil; im Prinzip die Identität 2.0 – um Banalitäten wie den Namen oder die Faxnummer gekürzt, sodass ausschließlich marktwirtschaftlich verwertbare Daten verbleiben.
Das ist für Herrn Friedrich im politischen Kontext sicher genauso praktisch, denn am Ende lässt so ein Profil auch Schlüsse auf die reale Identität zu. Am Ende wäre etwas weniger Generationenparanoia und Internet-Allergie, etwas mehr technisches Wissen von Vorteil.
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