Optimismus aus Angst?

„Optimismus ist die beste Medizin“, hat schon Kurt Widmann gesungen. Doch wo kommt Optimismus her und vor allem: was nützt er uns? Ist er Antrieb oder Hindernis? Ist er logisch oder ist er illusorisch? Ist er positiv oder negativ begründet?

Wenn Oscar Wilde sagt, die Grundlage jeglichen Optimismus‘ sei „die nackte Angst“ (Das Bildnis des Dorian Gray, 1891), dann ist das zunächst einmal irritierend, denn es scheint widersprüchlich. Intuitiv fragt man sich: Wie kann ein als negativ empfundenes Gefühl die Grundlage eines positiven Antriebs sein? Bei der Klärung dieser Frage führt kein Weg daran vorbei, sich an einer Definition von Optimismus zu versuchen.

Wir nehmen an, dass Optimismus die Haltung beschreibt, nach der man grundsätzlich davon ausgeht, dass zukünftige Ereignisse oder Zustände mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestmögliche Formen annehmen. Ungeklärt bleibt dabei weiterhin, welche Rolle dabei der gegenwärtige Moment spielt und wie subjektiv der Begriff „bestmöglich“ beziehungsweise „optimal“ ist.

Als Optimist würde ich also zu jeder Zeit behaupten, der auf den gegenwärtigen folgende Status quo werde gut sein. Damit drücke ich ein intensives Harmoniebedürfnis aus: Ich kann nicht wissen, wie etwas verlaufen oder wie sich ein Zustand verändern wird, ich kann lediglich darauf spekulieren. Dem Kausalitätsprinzip nach muss jedes Ding eine Ursache haben – so auch diese Annahme. Ihre Ursache ist, behaupte ich, eine Intention. Da ich möchte, dass etwas einen bestimmten Verlauf nimmt, glaube ich, dass es so sein wird, um dem Zukünftigen mit einer positiven Haltung entgegenzugehen. So ist etwa jemand optimistisch, was das morgige Wetter angeht, weil er darauf zählt, dass es gut sein wird, da er ansonsten bestimmte Pläne nicht umsetzen kann. Er hat also Angst, dass der Umsetzung seiner Pläne etwas im Weg stehen könnte, was die These von Oscar Wilde bestätigt. Diese Bestätigung sei im folgenden vertieft.

Warum ist der Optimist ein Optimist? Er selbst wird vielleicht antworten: „Ich bin Optimist, weil ich eine positive Lebenseinstellung habe.“ Er wird immer zur subjektiv besten Alternative tendieren, weil er seine positive Einstellung beibehalten möchte – seine Motivation besteht aus dem Interesse am eigenen Wohlergehen. Wie kann Wilde nun darauf kommen, dass Grundlage dieser Einstellung Angst sei? Wie obenstehend bereits angeführt, kann ein Subjekt eine optimistische Anschauung der Dinge erst dann als notwendig betrachten, wenn es sich vor einem abweichenden Verlauf der Dinge fürchtet. Der Optimismus dient dabei zum einen als Verdrängung negativer Überlegungen (als die zugrundeliegende Angst verdeckend), zum anderen als äußerst wirkungsvoller Antrieb, dem Zukünftigen entgegenzustreben, denn der Optimist erwartet ja etwas, das sich zu erreichen lohnt, weil es gut sein wird. Optimistische Erwägungen stärken also die Willenskraft des Subjekts, unter gewissen Umständen sogar seinen Mut, etwas zu tun.

Ist Angst als Grundlage des Optimismus ein hypochondrisches Verhalten? Bazon Brock behauptet, „radikaler Pessimismus“ sei die zwingende Voraussetzung für Optimismus (vgl. Konkret 4/2011). Er veranschaulicht diesen Gedanken am Beispiel des Höhlenmenschen: Indem sich dieser nämlich alle außerhalb seiner Höhle drohenden Gefahren vorstellt, überlegt er, ob er die Höhle verlassen sollte. Nur der Optimist werde in der Vorwegnahme des Schlimmsten dessen Vermeidung verstehen und die Höhle verlassen. Er betrachtet alle negativen Alternativen (Gefahren außerhalb der Höhle), um durch ein Ausschlussverfahren die Möglichkeit des optimalen Ereignisses (nichts stößt ihm zu) herauszustellen. Die gegebenen Alternativen wertet er immer mit einer Neigung zum als besser Empfundenen aus, sodass am Ende der Optimismus seine Angst überwunden hat.

Doch ist diese Angst die Angst vor der Realität? Ist der Optimist nur ein euphemistischer Träumer, seine Attitüde durch ihre Entfremdung von der Realität nutzlos? Beziehen wir ihre Eigenschaft als Antrieb mit ein, muss die Antwort Nein lauten. Zwar haben Optimismus und Realität in den meisten aller Fälle nur wenig gemein; am Ende aber hat der Optimist den Weg von Zustand A zu Zustand B durch Konstruktion eines erhofften Zustandes C positiv verbracht. Da sich im nächsten Schritt Zustand B wiederum zu einem neuen Zustand A wandelt, kann der Optimist insgesamt sein Leben, dass schließlich aus nicht mehr besteht als Wegen von A nach B, doch durchaus positiv gestalten – um es mit Ernst Bloch zu sagen: „Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen“ (Das Prinzip Hoffnung, 1938-1947).

Oscar Wilde hat recht: Die Grundlage des Optimismus kann nur Angst sein, denn sonst wäre er nicht subjektiv notwendig.

Teilnahmebeitrag zum Philosophie-Essaywettbewerb 2011.

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