Eiserne Lady on Tour

Ein Gespenst geht um in Europa. Es sieht aus wie drei Tage Regenwetter und faltet die Hände wie ein Bermudadreieck, wenn es spricht. „Wir brauchen mehr Zusammenarbeit in der Krise“, sagt es dann und wann – oder irgendwas mit „Hand in Hand gehen“. Floskeln über Floskeln. Der Name dieses Gespenstes ist Angela Merkel, und zwischendurch ist es sogar richtig gruselig.

Nächste Woche landet das Gespenst mit dem Flieger in Lissabon, um der weißen Stadt auf der iberischen Halbinsel ganze sechs Stunden seiner kostbaren Zeit zu schenken. Weil Zeit jedoch Geld ist, hat Merkel gleich ein paar ökonomische Bodyguards im Schlepptau: eine nicht zu knapp bemessene Unternehmerdelegation samt Stock und Hut – damit auch keine Investition danebengeht.

Krise läuft? Weiter so!

Erst neulich war das tapfere Schneiderlein andernorts eifrig zugange gewesen mit der sorgfältigen Inspektion des zu flickenden Teppichs: Athen und Madrid hatten wahlweise mit Demonstranten in Naziuniformen oder Angst in Tüten auf sich warten lassen. Was nun in Lissabon auf das Fräulein zukommt, sei den üblichen Spekulationen überlassen. Fest steht: Krawalle wird es nicht geben. Denn die Portugiesen gehen nicht auf die Straße, um dem gespenstischen Feind die Knarre an den Kopf zu halten. Die Portugiesen gehen auf die Straße, um kurz Bescheid zu geben.

Ein bisschen Alarm wird wohl trotzdem nicht ausbleiben. Der portugiesische Gewerkschaftsverband CGTP hat unmittelbar nach Bekanntwerden des anstehenden Merkel-Besuchs Protestaktionen angekündigt, zudem ist für den 14. November ein internationaler Generalstreik in Portugal, Spanien und Griechenland geplant.

Umverteilung mit Spaß dabei

Parallel wird derzeit im Parlament der Sparetat für das kommende Jahr ausgearbeitet – Ende des Monats, am 27. November, soll der neue Haushalt beschlossen werden. Unter anderem geht es um allgemeine und spezifische Steuererhöhungen sowie Sozialeinschnitte für Kranke, Arbeitslose und Rentner. Im Fachjargon des portugiesischen Finanzministeriums nennt man das dann „gerechtere Verteilung der Lasten“ (Wallstreet Online).

Was das Gespenst betrifft, so führt es sich regelmäßig wie der letzte schmierige Gönner auf. Mit viel Spaß an der Freude und stets einem herablassenden Lächeln im Gesicht lässt man sich mit Paraden und Palmen beglücken und bewedeln, während sich hinter dem Stahlvorhang nichts weiter als perfide Erpressung abspielt.

Zauberland brennt

Einige Menschen sagen, Europa ist wieder zweigeteilt – diesmal horizontal statt vertikal: Im Norden hätten es sich die feinen Herren und Damen gemütlich gemacht, während man den Süden ausbluten lasse. Andere wiederum behaupten, das eigentliche Problem sei, dass die Südländer beim vielen Betteln das Arbeiten verlernt hätten. Am Ende leuchtet zumindest ein, dass die EU letztlich doch ein Ganzes ist, ganz gleich wie solidarisch. Es ist ein großes Buschland, das einmal mehr zu brennen begonnen hat. Mit Öl lässt sich sicherlich nicht dagegen angehen.

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4 Kommentare

  1. November 11

    Ein wenig polemisch dein Artikel aber wahrscheinlich nicht ganz unrichtig. Mich würde es sehr interessieren, ob die Gewerkschaften ihre korporatistische Politik (jaja ein Erbe aus Deutschland) endlich abgelegt haben nach der Demo mit über einer Millionen Menschen. Gibts da was neues?

    beste Grüße,

  2. November 21

    Die Politik der Gewerkschaften hier in Portugal wird im Wesentlichen von einem Kontrahentencharakter gepraegt: Der Verband CGTP etwa steht der staatlichen Politik diametral entgegen, sowohl strategisch als auch ideologisch. Das mag durchaus auch mit den in der Opposition dominanten kommunistischen Tendenzen zusammenhaengen. Insgesamt gibt es eine starke Geschlossenheit gegen die Politik, allerdings nur in der entfremdeten Losloesung von selbiger.

  3. Februar 9

    Spaniens größte Industriesektoren, Bau, Tourismus, Dienstleistung bieten nirgends Tarifverträge von 40h/Woche, eher sind 50h und mehr üblich, dazu Wochenendarbeit, Nachtschichten, Doppelschichten, gerade in Bau und Tourismus. Zumeist werden nur saisonale Verträge in den Sommermonaten – wo andere aus anderen Ländern Urlaub an Spaniens Küsten machen – vergeben, Übernahme im Folgejahr fraglich. Das Geld der Sommermonate muß also für eine Familie auch im Winter reichen. Ein Chefrezeptionist in einem Vier – Sterne Hotel in Andalusien verdient bei einer Arbeitszeit von 50 – 60 Wochenstunden zwischen 1.100,- € bis – 1250,- €. 16h – Schichten während der Sommermonate, eher die Regel, als die Ausnahme, ob in den Hotels oder in den Restaurants. Kein Wochenendzuschlag, kein Nachtzuschlag. Kellner, Zimmermädchen, Köche kratzen nicht einmal an der 1000,- € Euro – Marke. Dazu kostet die Miete für eine ganz normale 2- Zimmer – Wohnung von 60 qm in der spanischen Provinz 500 – 700,- €. In den Großstädten Barcelona oder Madrid kriegt man für das gleiche Geld kaum ein WG – Zimmer. Alles über 2 – Zimmern kostet pro Monat ab 1000,- € aufwärts. In den Ferienorten der Küste werden – auch und gerade für Spanier – schon eher 2.000,-€ – 3.000,- € in den Sommermonaten verlangt. Die Lebensmittelpreise sind mittlerweile teurer als in Deutschland, wer guten spanischen Rioja kaufen will, sollte das lieber in einem Discounter in Westfalen tun, als in der gleichnamigen spanischen Provinz selbst.

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