„Homophob? Ich doch nicht!“

Über die Homophobie deutscher Jugendlicher

Michael „Bully“ Herbig hat es vorgemacht: Mit gutem Humor hat er Parodien zu bekannten Filmklassikern („Star Trek“, „Winnetou“) gedreht, stets mit seiner ganz eigenen Note, dem extremisierten Klischeebild des Schwulen. Leider hat die Jugend diese Anspielung falsch verstanden, nämlich so, dass „Bully“ sich über Schwule lustig macht. Dass die doch nicht ernstzunehmen sind, weil sie sich lächerlich benehmen.

Aufgrund dieses Missverständnisses – welches wirklich zu bedauern ist – macht man sich unter Jugendlichen immer selbstverständlicher über Homosexuelle lustig; vornehmlich Schwule. Wird Homosexualität zum Gesprächsthema, kommen sofort blöde Sprüche und Veralberungen getreu den Gesten, wie man sie aus den Herbig-Filmen und -Sketchen kennt. Und das mit einer Selbstverständlichkeit, die allen als ganz natürlich vorkommt. Keiner merkt, dass diese Art völlig intolerant und asozial ist.

Spricht man Jugendliche darauf an, heißt es wie aus der Pistole geschossen ganz moralisch „Homophob? Ich doch nicht!“. Weil man ja brav erzogen ist. Nein, man dürfe doch wohl noch Witze machen und albern sein, Michael Herbig dürfe das ja auch. Also muss es erlaubt sein, über Schwule (nein, man sagt „Schwuchteln“) herzuziehen.

Langsam, aber sicher schleicht sich die Homophobie wieder (oder besser: verstärkt) in unsere Gesellschaft ein – und zwar ohne, dass wir es merken. Auch die privaten Medien spielen mit ganzer Kraft mit. Schwule werden als schwache, minderwertige Menschen präsentiert. Ein gutes Beispiel ist eine Verkupplungsshow von RTL, in der es um die Verkupplung von zwei Männern ging, die sich vorher nie gesehen hatten. Dabei ging der Privatsender film- und erzähltechnisch so vor, dass die ganze Angelegenheit als witzig und trottelhaft erschien. Jedermann, der sich das ansieht – und das sind in diesem Fall überwiegend Jugendliche –, ist nun davon überzeugt, dass das politisch korrekt und sozial ist („Schließlich sagen die das sogar im Fernsehen!“).

Der Heterosexuelle ist die Norm, wenn man der Überzeugung vieler Jugendlicher in unserer Gesellschaft nachgeht. Viele lassen sich einfach zu leicht manipulieren von Ideologien einflussreicher Menschen und Medien. Auch die Bild-Zeitung spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle, die ja schließlich den Stereotypen des Deutschen zeichnet.

Wenn all diese jungen Leute einmal erwachsen sind und möglicherweise in die Politik gehen, werden sie auf dieselbe Weise Toleranz heucheln, wie es die Politiker dieser Tage tun. Das Bild des klassischen, rechten Deutschen prägt noch immer die Erziehung und Beeinflussung der deutschen Jugend von heute.

Ich will gar nicht behaupten, dass jeder Jugendliche in Deutschland so tickt. Es sind besonders die Kinder der Oberschicht – aber eben die sind es auch, die später einmal Karriere machen werden und eventuell die Macht haben werden, etwas an den Dingen zu drehen, um die es für uns alle geht.

Dieser Artikel erschien auch im Blog von Andreas Kraettli.

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6 Kommentare

  1. Juli 14

    Hallo Jan,

    danke für das Veröffentlichen des Artikels auch bei dir. Übrigens: Honigbaerli.eu gehört auch mir; ich mache sogenannten „doppelten Content“! Und da wurde der Beitrag bis jetzt auch schon 100 mal abgerufen!

  2. Juli 15

    Wow! Schön, dass so viele interessiert sind.

  3. Juli 22

    Ich denke das Sich-lächerlich-machen der Jugendlichen ist vor allem eine Handlung um zu unterstreichen, dass sie nicht schwul sind, meistens in der Gruppe.

    Es ist zwar nicht schön, aber man sollte es auch nicht überbewerten. Ich denke, das ist Teil der sexuellen Selbstfindung in der Pubertät. Wichtig ist, was später daraus wird.

    Die Jugendlichen sind nur ein Spiegelbild unserer Gesellschaft durch Erziehung und Medien, ihnen kann man nichts vorwerfen. Eher den Eltern.

  4. Juli 22

    Ich kann dir zustimmen, aber man sollte mit 16 politisch-gesellschaftlich schon so reif sein, dass man mit Themen wie Homosexualität entsprechend umgehen kann, findest du nicht?

    Sicher sind die Eltern in dem Alter eine der Haupteinflüsse – Problem ist in dem Punkt aber auch, dass viele unpolitisch erzogen werden, sich einen Dreck um dieses Thema kümmern und dementsprechend dann auch umgehen, ohne darüber nachzudenken, wie asozial Dieses oder Jenes nun sein könnte.

  5. Vincent
    Dezember 18

    Es ist doch total albern das Thema Homophobie auf die jüngere Generation zu schieben, zu mal bei Michael Bully Herbig nicht viel falsch zu verstehen ist und sein Machwerk sich mittlerweile auf salonfähige Homo/Xenophobie runterbrechen lässt ist doch das Thema der Homophobie eines was alle Generationen anspricht, ich würde sogar sagen primär die älteren. Was war den während den 80ern? Was war denn während den 30ern? Was war denn während den 60ern? Was war denn während der Ehe für alle?

    Da sie dieses Thema ja so unbedingt zu einem Generationskonflikt machen wollen, würde ich mal gerne wissen warum ihre Generation dann so viel Müll gebaut hat.

    Auf der anderen Seite sind wir langsam an einem Punkte an welchem ein verzerrte Stereotyp von Homosexualität in den Mainstream gefunden hat und wir relative Fortschritte machen.

    Aber auf die Idee zu kommen aus der Thematik einen Generationenkonflikt zu machen um das eigene Versagen an der internationalen Verantwortung zu kompensieren ist peinlich.

    Generationen sind nicht Homophob sondern Individuen

  6. Dezember 24

    Vincent, danke für deinen Kommentar! Das sehe ich mittlerweile auch anders (diesen Artikel habe ich hier vor inzwischen zehn Jahren veröffentlicht). Der Generationenkonflikt, falls es den überhaupt gibt, ist sicherlich nicht der Kern des Problems – du hast bestimmt recht wenn du sagst dass nicht Generationen, sondern Individuen homophob sind. Dennoch finde ich es wichtig, dass es bei sozialen Stimmungen wie Homophobie, oder einer politischen Kultur in die entsprechende Richtung, nicht „nur“ um das Verhalten von Individuen geht. Es handelt sich da immer auch um strukturelle, systemische Probleme, die sich nicht allein auf individuelle Verantwortung herunterbrechen lassen. – Frohe Weihnachten!

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