Praktikum: Tag 13

JesuskreuzHeute ging es bei meinem Bestatterpraktikum wirklich spannend zu. Ich habe die interessantesten Dinge erlebt, aber ich will der Reihe nach erzählen.

Zu Beginn sind wir zum Friedhof gefahren, um eine Einwilligungserklärung bei der Verwaltung abzugeben und die Grabstelle anzuschauen, um eine Vorstellung für den Aufbau der Trauerfeier zu gewinnen. Ersteres war leider nicht möglich, da die Friedhofsverwaltung anscheinend in ein anderes Gebäude gezogen war. Trotzdem suchten wir noch die Grabstelle auf – die übrigens wirklich schön gelegen war – und fotografierten sie, um der Gärtnerei ein Bild zu geben, damit die sich etwas Passendes für die Dekoration einfallen lassen können.

Also fuhren wir, nachdem wir erfolglos das neue Büro der Friedhofsverwaltung gesucht hatten, zur Gärtnerei. Dort zeigten wir die Fotos von der Grabstelle und beerdigten einen Maulwurf. Halt – einen Maulwurf? Ja, richtig! Wir wollten gerade wieder losfahren, da entdeckten wir einen toten Maulwurf auf dem Wegesrand. Ich sagte, dass ich den gern fotografieren würde – nur beiläufig und ohne Plan, versteht sich, aber die Chefin nahm das wörtlich. Also stiegen wir aus – die Gärtnerin gab mir eine Kamera, ich schoss ein paar Fotos. Die Schaufel wurde geholt, das Loch wurde gebuddelt, der Maulwurf mit Blume begraben, das Kreuz aus Ästchen daraufgelegt. Später überlegten wir noch, ob wir ihn nicht hätten kremieren sollen…

Das war die spaßige Einführung. Der Hauptteil: Menschen statt Maulwürfe. Ich hatte schon mehrfach erfragt, ob ich nicht auch einmal die „echteste“, eben tote Seite des Bestattens erleben könnte. Und da ich inzwischen bereits so viel erfahren habe und auch Tote auf Bildern gesehen hatte, wurde mir dieser Wunsch heute schließlich gewährt.

Kurz darauf kamen die Leute vom Bestattungsüberführungsunternehmen (mit dem Wort meistere ich jedes Galgenraten!), um mich abzuholen. Das sollte mir einen Einblick in die Welt verschaffen, die direkt mit den Verstorbenen zu tun hat – klingt mystisch, ist aber hochinteressant. Die Menschen, die dort arbeiten sind keine düsteren Schauergestalten; überhaupt nicht. Bei dem Unternehmen arbeiten ganz normale Leute, die Atmosphäre war völlig locker und nett.

Ich wurde während der Fahrt im Transportwagen darauf vorbereitet, dass ich Tote sehen würde. Ich solle es sofort sagen, wenn die Angelegenheit zu viel oder mir schlecht würde. Langsam wurde mir zugegebenermaßen etwas mulmig, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Kurz bevor wir beim Friedhof angekommen waren, bekam ich noch Gummihandschuhe.

Wir stiegen aus und gingen gleich in ein Hallengebäude mit – soweit ich das richtig mitbekommen habe – zwei Kühlräumen für fertig bereitete Leichen und einem Raum zur Bereitung selbst. Bereitung, damit meine ich das Ankleiden und, sofern eine offene Aufbahrung bei der Trauerfeier stattfinden wird, das Zunähen des Mundes, damit er nicht so unangenehm offen steht.

Als ich hereinkam, lag da ein toter Mann in einem Sarg. Es lag ein Laken unter ihm, ansonsten war er nackt. Die Aufgabe war nun, ihn anzukleiden und seinen Mund zuzunähen. Ich schaute mir das Ganze einfach an, um zu sehen, wie es ablief und was wie getan wurde. Der steife Körper wurde einfach angekleidet, wie eine Puppe. Das mulmige Gefühl wich langsam, als ich merkte, wie normal das Ganze eigentlich war. Der Tod gehört zum Leben, und wie wir ein totes Schwein ertragen können, ist auch ein toter Mann zu ertragen. Gut, der Eine kann das ab, der Andere nicht, aber nachdem man mir sagte, ich solle mir einfach vorstellen, der Mann schliefe, sank meine Hemmschwelle erheblich.

Das Zunähen des Mundes ist wirklich interessant, schließlich muss man es so hinbekommen, dass die Angehörigen bei der Aufbahrung nichts davon bemerken. Ich sah zu, wie einer der Mitarbeiter einen Faden durch das obere und das untere Lippenbändchen des Verstorbenen zog und, als ein anderer das Kinn zudrückte, festknotete. Die langen Enden des Fadens werden abgeschnitten, fertig. Nichts zu sehen von irgendeiner Manipulation.

Nachdem der Leichnam fertig angekleidet in den Kühlraum kam, wurde der nächste Tote aus dem Transporter geholt, mit dem ich hergefahren wurde. Der Sarg wurde wieder in jenen Raum geschafft und geöffnet, nun galt es also, auch diesen Mann anzukleiden. Diesmal durfte ich auch mitmachen. Ich zog dem Verstorbenen die rechte Socke an, ein anderer Mitarbeiter die linke. Dann die Unterhose, die Hose, das Hemd, das Jackett, die Schuhe, die Fliege. Ich half nicht bei allem mit, aber es war wirklich spannend. Zum Schluss sah der Tote ganz friedlich aus, eben wie schlafend.

Nachdem all das getan war, fuhren wir noch zum größeren Friedhof, wo ich mir kurz die Verstorbenenhalle (ein langer Raum mit etlichen Schubladen auf der einen und befüllten Särgen auf der anderen Seite) und auch das Krematorium mit seinen fünf Öfen ansehen durfte (man kam sich vor wie in einer Fabrik, wie auch einer der Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens richtig festgestellt hatte).

Folgendermaßen wurde mir der Berufsalltag des Bestattungsüberführers erläutert: Man bekommt einen Anruf (und zwar zu jeder erdenklichen Uhrzeit, wenn man im Bereitschaftsdienst arbeitet), dass man doch nach X kommen solle, um Y abzuholen. Dann fährt man los (man hat zwischen 30 und 90 Minuten Zeit bis zur Ankunft), holt den Verstorbenen ab, legt ihn in einen Sarg (oder auf eine Trage), bringt ihn in den Transportwagen und fährt ihn in die Leichenhalle. Ist alles geklärt, kann er bereitet werden und kommt zurück in die Kühlung. Am Tag der Beerdigung oder Einäscherung muss man den Toten dann wieder nach Z fahren.

Ich habe inzwischen gelernt, dass es vollkommen unangebracht ist, den Tod derartig zu tabuisieren, wie es derzeit in unserer Gesellschaft üblich ist. Der Tod gehört, wie schon erwähnt, zum Leben dazu – warum ihn also totschweigen?

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