Spenden? Nein, danke!

Zu Anfang des Monats war, wie sicherlich der eine oder andere mitbekommen haben wird, Welt-AIDS-Tag. Dabei wurden in unserer Schule Plakate mit originellen Texten wie „Wer kein Gummi drüber macht, wird vom Virus platt gemacht“ aufgehängt und AIDS-Schleifen verkauft. Moment, was sind denn AIDS-Schleifen? Es handelt sich dabei um rote Schleifchen, die man sich nach Erwerb für „einen helfenden Euro“ ans Hemd hängt, um zu zeigen: Ich habe für eine Kampagne gegen AIDS gespendet, ich habe Geld für eine gute Sache ausgegeben.

Aber welche gute Sache ist denn nun finanziell unterstützt worden? Das weiß mir keiner der Donatoren zu beantworten. Seltsam – geht es dem allgemeinen Durchschnittsmenschen also nur noch um die Moral, das Prinzip „guter Zweck“? Ist egal, was dahinter steckt? Ich muss es vermuten, wo doch auch die Bild-Zeitung ihr Ansehen jedes Jahr aufs Neue mit ihrem „Herz für Kinder“ auffrischt.

Generell kann ich nichts gegen Spendenaktionen sagen. Was auch? Sie sollen moralistische Anliegen finanziell unterstützen, damit ein kenianischer Bauer eine Kuh haben kann und Kinder in Namibia ein Sofa für die Schule bekommen. Ehrenwert. Und wofür spende ich, wenn es um AIDS geht? Wird man durch Geld gesünder? Nein, leider nicht. Schade, Kapitalismus.

Wie meint der Welt-AIDS-Tag dann seine Spendensammlungen? Manche Teilnehmer können selbst keine schlüssige Antwort finden, manche reden wie aus dem Buch des Gutseins abgelesen:

„HIV-Betroffene brauchen uns, weil die Hilfe brauchen von uns. Und die Betroffenen sollen wissen, dass es Leute gibt, die ihnen gerne helfen.“

– Emre Yücel, Botschafter

„Werdet (…) Botschafter und zeigt Schleife. Damit drückt ihr eure Solidarität aus und setzt ein Zeichen für den gemeinsamen Kampf gegen die Krankheit.“

– Anni Friesinger, Eisläuferin

„Die Kampagne zum Welt-AIDS-Tag rüttelt auf, klärt auf, sucht den Schulterschluss. Zusammen mit Anni Friesinger, Christiane Paul, Philipp Lahm und Samy Deluxe.“

(Quelle)

Wie sieht denn dieser „gemeinsame Kampf gegen die Krankheit“, von dem Frau Friesinger spricht, aus? Will man den AIDS-Patienten Gesundheit ausdenken und sie ihnen in die Hand drücken? Bringt nichts. Träumerei. Mein Kampf würde beim Papst beginnen.

Zuletzt wirbt jede Aktion mit halbprominenten Kennt-man-irgendwo-her-Leuten, um die Unterstützer anzuziehen. Eine lächerliche Masche, die nur für die jeweiligen Personen wirbt und den „Wenn der es macht, sollte ich es auch machen“-Instinkt in uns wecken soll.

Das große Übel an Spendenaktionen aber ist die Finanzierung ihrer selbst: Ein zum Teil recht großer Teil des gesammelten Geldes fließt in die Verwaltungskosten, sodass nur die Aufbau-Anleitung des Ikea-Sofas in Namibia ankommt, nicht aber das Sofa.

Oder das Geld gelangt in die falschen Hände! Dann macht sich der dickleibige Prominente einen schönen Lebensabend mit Wein und Whisky, freut sich über sein neues Ansehen als Gutmensch und nimmt einen Zug von seiner kubanischen Zigarre extra-feiner Qualität.

Geht es denn auch anders? Ja, sicher. Spenden an und für sich sind ja eine wirklich vernünftige Sache; man will schließlich einen Robin Hood-Mechanismus einführen, der denen, die es haben, das Geld nimmt und es denen, denen es helfen kann, gibt. Und da spricht doch in der Theorie nichts gegen. Man sollte sich nur immer fragen:

  1. Will ich helfen, weil es gut ist, oder weil ich es gut finde?
  2. Kann die Organisation mit dem Geld umgehen?
  3. Kann das Geld helfen?

Die letzten beiden Fragen kann ich bei der Kinderkrebsstiftung mit Ja beantworten. Hier die Erklärung, die mich überzeugt hat:

„Bei der Deutschen Kinderkrebsstiftung werden Familien mit krebskranken Kindern unterstützt, die durch die Erkrankung ihres Kindes in eine finanziell schwierige Situation geraten sind. Am wichtigsten finde ich aber das „Waldpiraten-Camp“. Hier wird den Kindern, die durch die Krankheit Mut verloren und sicher auch viel Kummer haben, gezeigt, wie es im normalen Leben wieder weitergeht und dass es keinen Sinn macht, aufzugeben.

Ich bin privat auch in diverse schwierige Situationen geraten. Deshalb möchte ich wirklich alles dazu beitragen, dass es Familien mit krebskranken Kindern „besser“ geht. Natürlich kann man so einen Schicksalsschlag nicht, so gern man auch möchte, mit finanziellen Mitteln „heilen“, aber man kann wenigstens ein wenig Last  abnehmen.“

– Susanne Staub-Lampert, Parfumkaufhaus.de

Susanne Staub-Lampert hat in ihrem Parfüm-Onlineshop bis zum Ende dieses Monats ist eine Aktion in Kooperation mit der Deutschen Kinderkrebsstiftung am Laufen, bei der drei Prozent des Erlöses beim Verkauf eines Parfüms an die Organisation gespendet werden. Das Motto lautet „Gut duften und damit Gutes tun“. Eine schöne Sache; gerade zur Weihnachtszeit sicher auch lohnend. Im Grunde ein Streich: Die Menschen konsumieren und verschenken – kaufen, kaufen, kaufen – und plötzlich helfen sie damit.

Ich sage aber immer noch „Nein, danke“ zu Spendenaktionen, solange ich nicht alle der genannten drei Fragen positiv beantworten kann. Wie sehen Sie das?

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4 Kommentare

  1. Hendrik
    Dezember 18

    Zu guter Letzt kann man noch anmerken, dass die Schleifchen einen endgültig als Profilierungssüchtling aka Wichtigtuer markieren.
    Wer wirklich helfen will, tut das nicht an einem Tag im Jahr mit einem Euro und ohne zu wissen, was davon warum wo landet, sondern macht sich erst schlau und spendet dann – unabhängig von Aktionen und Werbung.

  2. Dezember 18

    Ganz richtig. Ich habe einige der Botschafter und auch einige der Teilnehmer dieser Aktion zum Thema befragt. Kaum einer konnte mir auf vernünftige Weise sagen, warum er mitmachte. Meist kam nur etwas wie: „AIDS ist schlecht. Also helfe ich.“ Aber wobei? Das sagten mir nur sehr wenige der Personen. Teilweise hieß es auch, durch ein unsicheres Lächeln untermalt, man mache eben mit – und außerdem seien diese roten Schleifen gar nicht mal so hässlich.

  3. spill
    Dezember 21

    Wurde neulich mal in Alexandria, Virginia, in einer typischen Subburp (Pappdeckel-Spanplatten-Häuser die wie Villen aussehen) des Sonntags von uniformierten Boyscouts mit Spendenblechbüchsen penetriert. Habe das höflich verweigert.

    Der Boyscout: „But it’s for Breastcancer!“
    Antwort: „Sorry, but we are definitely not for Breastcancer!“

    Tja. Ist ja so.

  4. Dezember 21

    Sehr schön geantwortet. Da sieht man wieder deutlich, wie wenig sich die Vertreter solcher Spendenaufrufe informieren – Hauptsache, sie leisten sogenanntes Gutes.

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