Freund, Helfer, Hausentsetzer

Liebig 14 geräumt

Demonstration im Vorfeld der Räumung
Demonstration im Vorfeld der Räumung.

Gestern haben Polizeibeamte das seit den 90er Jahren besetzte alternative Wohnprojekt „Liebig 14“ im Berliner Stadtteil Friedrichshain geräumt. Im Namen der freiheitlich demokratischen Grundordnung schlug „ein Großaufgebot an Sicherheitskräften“ (Welt Online) in martialischer Kostümierung mit Äxten und Fäusten auf Haus und Menschen ein, um den gewünschten Bürgern vornehmer Kaste Platz zu machen.

Zwar hat man den Bewohnern der Liebigstraße 14 zuvor ein Alternativangebot unterbreitet, dieses ließ sich jedoch unter keinen Umständen ernstnehmen: Es befände sich außerhalb des Zentrums. Genau diese Art der Verdrängung ist auch dringlichste Absicht der Stadtplanung. Das Zentrum muss schick und lohnend sein und von braven Bürgern – beziehungsweise systemrelevantem Humankapital – bewohnt werden.

Nach ungefähr fünf Stunden, mehreren Festnahmen und viel Polizeigewalt konnte die Polizei das im Vorfeld tüchtig verbarrikadierte Haus einnehmen und neun Besetzer festnehmen. Zuvor war das umgebende Viertel hermetisch abgeriegelt worden, um aggressive Randalierer von jeglichem Protest auszuschließen. Dennoch standen die knapp 2500 Polizisten etwa 1000 Demonstranten entgegen – Nachbarn, Sympathisanten und Autonome von nah und fern.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele kam mit dem Rad vorbeigefahren, um dem festlichen Spektakel einen Besuch abzustatten. Dieser betrieb Grünen-Imagepflege und schloss sich dem Protest an, versuchte, zwischen den Parteien zu vermitteln und kritisierte die Räumung: Freiräume dieser Art müssten erhalten bleiben. Im Nachhinein gab die Gewerkschaft der Polizei Ströbele die Mitschuld an den „Gewaltausbrüchen“ (Welt Online). Fraktionsvorsitzende Renate Künast distanzierte sich ebenfalls von ihrem Parteigenossen, indem sie die Rechtmäßigkeit der Räumung hervorhob.

Sicherheitskräfte im Einsatz
Sicherheitskräfte im Einsatz.

Die Frankfurter Rundschau schreibt von der „Gelassenheit beim Anblick von Gewalt und Vandalismus“ und der Beschwörung einer „Gefahr, die immer von außen kommt“ (FR Online). Die „Feindbilder“, die im Weiteren kritisiert werden, prägen den Kanon des medialen Echos insgesamt. Allerdings wollen die ehemaligen Bewohner der Liebigstraße 14 weiterhin „die Stadtgestaltung in unsere eigene Hand nehmen“ (Liebig 14).

Am Abend nach der Räumung, wie schon im Vorfeld, bekundeten Tausende auf den Straßen ihre Solidarität mit dem Wohnprojekt – auch in anderen Städten, zum Beispiel Hamburg. Es handelt sich dabei um eines der letzten besetzten Häuser in Berlin. 1990 wurde dieser Freiraum geschaffen, der in der nachfolgenden Zeit für unkommerzielle Kultur und kollektives Leben Platz bot. Jetzt ist auch dieser Ort ein Ort der Stadtumstrukturierung. Ein Ort, der sich nach Profit richten soll statt nach seinen Bewohnern.

Der Widerstand gegen solcherlei Eingriffe in ein freies Leben darf nicht abklingen. Es muss solange Bestand haben und hartnäckig bleiben, bis das Recht auf Stadt wieder gewährleistet ist. Freiräume, lebendige Wohnprojekte und Vielfalt müssen vor Wirtschaftlichkeit, Immobilienwert und -attraktivität Vorrang haben. Es kann und darf nicht sein, dass politisch wie kulturell unerwünschte Bewohner einer Aufwertung des Gebietes zuliebe aus dem Zentrum gedrängt werden.

Fotos: Anarchistische Gruppe Freiburg (Flickr), CC by-nc-sa.

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Ein Kommentar

  1. Februar 5

    Naja teuer war es auf jedenfall…

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